Oh, du lieber Augustin...
Eigentlich ja nicht schlecht, wenn sich die Medien, wie am 10.09.02. mit den Problemen in der Transportbranche auseinandersetzen. Liegt hierin doch die Chance, die Mitmenschen und die Verantwortlichen in den Behörden und Politik, für Missstände zu sensibilisieren!
ZDF
Frontal
stellt einen selbständigen LKW-Fahrer vor, der berichtet bei der Firma
Augustin zu Hungerlöhnen zu arbeiten. Dabei werden schnell noch die bekannten
Probleme und Klischees bedient: z.B. Lenkzeitüberschreitung, manipulieren der
Diagrammscheiben (bzw. deren Vernichtung) usw. Wirklich enttäuschend daran ist
aber was der Bericht nicht zeigt, nämlich die Gründe für solche Zustände!
Z.B. dass gerade seriös arbeitende Unternehmen durch Wettbewerbsverzerrungen,
wie Sozialdumping, Subvention der ausländische Speditionen und ruinöse
politische Entscheidungen, in die Ecke getrieben werden. Oder z.B. die fehlende
rechtsstaatliche Präsenz, die dafür verantwortlich ist, dass die Organisatoren
von Abzockunternehmen getrost im Schutz einer bürokratisierten Strafverfolgung
und Rechtssprechung ihren dubiosen Geschäften unbehelligt nachgehen können.
Also die staatliche Mitverantwortung, um nicht zu sagen die staatliche
Urheberschaft für die Misere, wurde wie so oft, mit keinem Wort erwähnt. Mag
sein, dass dies für den durchschnittlichen Vorabendprogrammzuschauer ohnehin zu
komplex wäre.
Da die politischen Entscheidungsträger offensichtlich dieselbe Abneigung haben, die Probleme an
der Wurzel anzupacken, steht wohl zu befürchten, dass uns eine neue Runde zum
Thema „Scheinselbständigkeit und wie man sie verhindert“ bevorsteht!
Dabei wird der (Schein)-Selbständige schon jetzt mit Scheinasylant oder illegalen Arbeitnehmern rhetorisch auf die gleiche Stufe gestellt. Wenn es nach dem Willen einiger Politiker und Gewerkschaftlern geht, sollten die „Selbstfahrer“ am Besten wohl gleich ganz vom Markt verschwinden. An ideenreichen Auflagen, wie dem „Eigenkapitalnachweis“, fehlte es ja in den letzten Jahren nicht. Aber ist das nicht so, als würde man als Reaktion auf Banküberfalle die Bankfilialen schließen, anstatt den Bankräubern das „Handwerk“ zu legen?
Wird dabei nicht auch übersehen, dass unser Staat seine besten Jahre denen verdankt, die nach dem Krieg unter primitivsten Verhältnissen und nicht selten als Einzelkämpfer den Grundstein für ein erfolgreiches Unternehmen legten? Also Menschen denen ein sicheres Arbeitsverhältnis nicht reichte, die mehr erreichen und mehr leisten wollten als andere und sich deshalb selbständig machten? Kann man nicht bei vielen alteingesessenen Speditionen die alten Bilder an der Wand betrachten, die den Firmengründer als Fahrer, eines Büssing oder Deutz zeigen? Warum glaubt man eigentlich gerade heute auf solche Menschen mit Visionen und Pioniergeist verzichten zu können?
Wir haben in der Tat eine
Diskussion nötig!
Wir brauchen eine Diskussion die den Verantwortlichen klar macht was los ist!
Eine Diskussion, die die
Tatsache deutlich macht, dass in unserer Branche nicht nur Angestellte und
Konzerne existieren, sondern dass es eine immer größere Zahl Selbstfahrender
und Kleinstunternehmer gibt, Unternehmer ohne die heute nichts mehr laufen würde!
Diese Unternehmer sind Menschen denen beim Bankgespräch zu verstehen gegeben
wird, dass ihr künftiger Kreditrahmen exakt so hoch ist, wie die „bankübliche
Sicherheit“ die sie vorher hinterlegen müssen!
Menschen deren schwere und qualifizierte Arbeit weder gesellschaftlich, noch durch die wirtschaftliche
Ertragslage angemessen gewürdigt wird. Menschen, die somit meist hoffnungslos
unterbezahlt sind oder manchmal vom Auftraggeber überhaupt kein Geld bekommen.
Menschen die Ihre Rechte nicht in vollem Umfang wahrnehmen können, weil Arbeitsgerichte nicht zuständig
(und für ihre Belange wahrscheinlich auch nicht ausreichend kompetent) sind und
überlastete Zivilgerichte die Dimension der Problematik nicht mal im Ansatz
erfassen.
Vor 150 Jahren haben ausufernde Missstände bei Arbeitnehmern zur Gründung einer großen Volkspartei
geführt. Es ist Zeit für eine Diskussion die den verantwortlichen eines
deutlich macht: Die Proletarier des 21 Jahrhunderts sind die Kleinunternehmer!
Andreas Mossyrsch von CamionPro im Oktober 2002
Anmerkung der Redaktion: Ich weis nicht wer sich je die Arbeit gemacht hat nach zu sehen was Proletarier wirklich heißt, denn wenn man es im Wörterbuch nachschlägt, bekommt die Aussage erst den richtigen / oder durchaus gewollt überzogenen Nachdruck:
Pro|le|ta|ri|er
<m.; -s, -> 1 <im antiken Rom>
Angehöriger der Klasse, die nicht besteuert wurde, da ihr
Vermögen den Mindestsatz nicht erreichte
2 <nach Marx u. Engels> Lohnarbeiter ohne Besitz an
Produktionsmitteln [<lat.proletarius „Bürger der
untersten Klasse, der dem Staat nur mit seiner
Nachkommenschaft dient”; zu proles „Nachkomme”]
Quelle Fremdwörterlexikon: www.wissen.de